Übersicht Djoser China Reisen

China: Die Provinz Yunnan im Südwesten

Die Provinz Yunnan in Südwestchina

Können Sie sich vorstellen, daß es im Reich der Mitte interessantere Plätze und Sehenswürdigkeiten gibt als in Peking und Xi'an? Sicherlich, die Fahrt in die Hauptstadt wird unvergeßlich, besteigt man doch ganz in ihrer Nähe die große Mauer, besucht danach noch den Sommerpalast, die Verbotene Stadt und über ihr thronend die große "Weiße Wolken Stupa". Sie pilgern auch zum Lamatempel, und Xi'an wird Sie nicht nur durch die Terracotta-Armee begeistern. Doch im Südwesten der Volksrepublik erwartet Sie ein weiteres kulturelles Juwel: die Provinz Yunnan.

Wir erreichen Yunnan nach einem Abstecher zum größten Pandafreigehege Chinas, in dem vielleicht bald auch geklonte Pandas zu sehen sein werden. In die minderheitenreichste Provinz des Landes - vierundzwanzig an der Zahl - gelangen wir mit Zug und Bus, werden aber während der anstrengendsten Etappe der Reise durch wunderschöne Landschaftseindrücke belohnt.

Auf ca. 2600 m Höhe gelangen wir nach Lijiang, das vorwiegend von der Naxi-Minderheit bewohnt wird. Die Naxi lebten lange Zeit im Matriarchat und kennen seit über 1000 Jahren eine eigene Bilderschrift, die an die Hieroglyphen der Ägypter erinnert. Lijiang zählt zum Weltkulturerbe und wird von der UNESCO gefördert. Die Altstadt ist einzigartig auf der Welt, da sie von einem fein ausgeklügelten Kanalsystem durchzogen ist, welches den Gedanken an ein Venedig der Berge wachruft. Die meist in strahlendem Rot bemalten und durch kunstvolle Holzschnitzereien verzierten Häuser sind oft nur durch kleine Stege zu erreichen. Hier wird man in vielen hübschen Cafes freundlich bewirtet. Am Abend sollte man die Vorstellung vieler meist älterer Musiker, die traditionelle Naxi-Musik in einem Konzert darbieten, nicht verpassen.

Die Landschaft und Umgebung Lijiangs sind nicht nur beeindruckend, sondern auch kulturell sehr interessant. Man kann mit dem Fahrrad bequem zu dem nicht weit entfernten Ort Baisha fahren. Dort kann man nicht nur Dr. Ho aufsuchen, der in der ganzen Gegend als Wunderdoktor bekannt ist, sehr interessant ist auch eine alte buddhistische Tempelanlage, die mit fantastischen Wandmalereien schon Reisende aus aller Welt anzog. Eine Fahrradfahrt oder Wanderung durch die Umgebung führt auch zu vielen in der Kulturrevolution zerstörten oder demolierten Tempelanlagen. Besonders bemerkenswert ist ein kleiner alter Tempel, der, auf einem Schulgelände gelegen, heutzutage noch die Ereignisse der Kulturrevolution unmittelbar dokumentiert, da Parolen Mao Zedongs die buddhistischen Wandmalereien der Anlage noch immer verdecken. Ein unvergeßliches Erlebnis war es, in dem verfallenen Tempel mit den Kindern der Schule Ping-Pong zu spielen, was negative Gedanken über die Kulturrevolution vergessen läßt. Die Naxis mußten sich zu jener Zeit die Haare schneiden und ihre bunten Trachten ablegen, die Musiker ihre Instrumente vergraben, um sie zu retten, die innen kunstvoll bemalten Häuser der Naxis wurden einfarbig getüncht und schließlich hatte man sich vom Buddhimus, der in Yunnan oft tibetischer Ausrichtung ist, fern zu halten. Heutzutage geht es der Naxi-Minderheit nicht zuletzt wegen des Tourismus, der auch viele Einheimische anzieht, wieder gut.

In der Umgebung Lijiangs lohnt es sich, zur ersten Biegung des Changjiang (Yangtze), des Langen Flusses, einen Ausflug zu unternehmen. Landschaftlich ebenfalls interessant ist die Tiger-Schlucht, die auch nicht schwer zu erreichen ist, aber spannender ist es sicherlich, hoch auf den Schneeberg (knapp 4000m) zu fahren, der auch von Lijiang aus gut zu sehen ist.
Weiter geht es durch subtropische Landschaften in ca. vier Std. Busfahrt nach Dali, am Erhai-See gelegen. Der Name der Sees bedeutet "Ohrmeer", da er in seiner Form einem Ohr gleicht. Obwohl man sich von Lijiang nicht besonders weit entfernt, hat man es mit der Bai-Minorität - die zahlenmäßig größte in der Region - mit einer völlig anderen Kultur zu tun. Hier lebten in vergangenen Jahrhunderten viele Moslems der Hui-Minorität, die sich oft in Aufständen gegen das Kaiserreich behaupteten. Mittlerweile haben sich die Kulturen der Provinz stark assimiliert. Ihre Traditionen sind jedoch nicht verschwunden. Bei einer Bootsfahrt über den Erhai-See besteht auch die Gelegenheit, die Früchte des Sees einmal zu kosten. Nicht nur Fisch, sondern auch Muscheln, Krebse und kleine Aale sind traditionell zubereitet ein kulinarisches Highlight.

An den drei Pagoden in der Nähe Dalis werden han-chinesische Einflüsse sichtbar. Fährt man mit dem Sessellift hoch in das Cangshan-Gebirge, erblickt man auf dem Weg zum daoistischen Tempel nicht nur viele durch Stelen gekennzeichnete Gräber, sondern erhält durch einen Blick nach hinten einen fantastischen Ausblick über Dali und den See. In den Bergen kann man gut wandern und klettern. Schließlich gelangen wir auf den Weg nach Kunming nach Absprache an den Dian-See, welcher seinen Namen einer vergangenen chinesischen Hochkultur zu verdanken hat. Die Westberge mit ihren daoistischen Höhlengängen und Tempeln erlauben einen wunderschönen Ausblick über den See und auf Kunming.
Wer mag da noch behaupten, die kleine Provinz Yunnan wäre kulturell nicht mindestens ebenso interessant wie der Rest des Landes?

Erschienen im Magazin "Unterwegs mit Djoser", 1. Ausgabe, Sommer 2001