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Chinglisch für Anfänger

„Das ist wie auf einen Baum zu klettern, um einen Fisch zu fangen“, sagen die Chinesen, wenn sie etwas als unnütz oder Zeitverschwendung betrachten. Ob korrektes Englisch in diese Kategorie fällt, weiß man nicht. Doch die Vermutung liegt nahe. Vielleicht wollen sie auch nur die Touristen verwirren.

Wer im Hotel ankommt, findet sich schon einmal mit der wenig eindeutigen Aufforderung „have space“ konfrontiert. Man nimmt also Platz. Doch es geht weiter. Die Gastgeber sind um die Sicherheit ihrer Gäste besorgt und warnen: „be careful not to be stolen“. Sich selbst gut festhaltend und ständig auf der Hut, nicht abhanden zu kommen, beginnt man Spaß an der Sache zu finden. „I very like it“ ist der angemessene Ausdruck dieses Gefühls, den Chinesen verstehen würden. Im „shopping’s center“ warnen Schilder die Ausländer: „take care of your slip“. Nicht etwa das Höschen ist hier in Gefahr, sondern der Boden ist frisch gewischt und noch ein bisschen „slippery“. Wer wissen will, wo Unterwäsche zu finden ist, wendet sich an die „question authority“ und fragt nach „inner clothes“. Auch der Weg in die Buchhandlung bringt keine Klarheit: Das Wörterbuch Mandarin-Englisch informiert auf der ersten Seite, dieses Werk sei „very useful for the using“. Bezahlen sollte man auf jeden Fall, denn Schilder lassen keine Unklarheit über die Folgen eines Diebstahls: „shoplifters will be fined ten times“.

Auch Freizeitparks, in China hochbeliebt, stellen Verhaltensregeln für Besucher in  Form von Hinweisschildern bereit: „keep morder, be careful“. Und auch die Sicherheit spielt wieder einmal eine entscheidende Rolle: „safety needing attention! Be care of depending fire!“ Und natürlich das Umweltbewusstsein: „pay attention to civilisation“.

Doch auch wer die Hochsprache, Mandarin, spricht, kommt damit in China nicht grundsätzlich weiter.

Zwar sprechen außer in den westlichen und südlichsten Provinzen fast alle Chinesen Mandarin. Die vielen Dialekte erschweren die Kommunikation jedoch erheblich – selbst zwischen Chinesen. Im Ganzen gibt es acht einflussreiche Dialekte: Hochchinesisch (Mandarin), Yue, das in Kanton gesprochen wird, Wu (um Shanghai), Min Bei, Min Nan, Xiang, Gan und Hakka. Das erscheint kompliziert – und dennoch ist die Grammatik der chinesischen Sprache samt all ihrer Dialekte um einiges simpler als jene europäischer Sprachen. Chinesen kennen keine Artikel, keine Zeitformen und keinen Plural. Zudem werden Verben nicht konjugiert. Die Worte „auf“, „in“ und „am/an“ können alle mehr oder weniger mit zai übersetzt werden, welches schlicht bedeutet: etwas existiert an diesem Ort. Diese Vereinfachung verkompliziert alles. Denn konsequenterweise wenden Chinesen diese Regeln auch an, wenn sie Fremdsprachen sprechen. So strauchelt man oftmals hilflos bereits an der ersten Hürde: der Sinnerfassung. Denn einer Mitteilung ohne Artikel, Zeit- und Mengenangabe mangelt es im Englischen zuweilen an Sinn. Zumindest jedoch an Eindeutigkeit.

Dieser Interpretationsspielraum kommt wiederum der chinesischen Mentalität zu Gute: Niemand muss sich beleidigt fühlen. Alles ist Auslegungssache.
Europäer verlieren da schon mal die Nerven, was natürlich eine Beleidigung des Gegenübers bedeutet (nicht zu reden von der Schmach, sich nicht unter Kontrolle zu haben).


Es ist allerdings nicht so, dass Chinesen kein Englisch sprechen wollen. Sie tun das mit Begeisterung, mixen chinesische und englische Wörter und grammatische Strukturen. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Forscher entdeckten sogar Wörter, die in keiner der Ausgangssprachen zu finden sind. Und nicht zuletzt entbehren Formulierungen wie „Long time no see“ nicht eines gewissen Charmes. Und Aussagen wie „no-go“ oder „no-have“ sind, wenn schon nicht korrekt, so doch wenigstens eindeutig. Eindeutigkeit war die wichtigste Notwendigkeit, als sich Chinglish im frühen 20. Jahrhundert entwickelte. Chinesen in Shanghai benutzten es, um mit englischsprachigen Händlern zu kommunizieren. Auch bekannt war Chinglish damals unter dem Namen Pidgin, was genau genommen nur „vereinfachte Sprache“ bedeutet – ein Mittel beispielsweise, um auch ohne eine gemeinsame Sprache Handel zu treiben. Pidgin existiert grundsätzlich nicht als Muttersprache, sondern bezeichnet stets einen Mix aus Sprachen zweier Völker.

Da stimmt es fast ein bisschen traurig, dass die Regierung bis zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking alle Schilder ersetzen will – mit „richtigem“ Englisch. Irgendwie schade. Denn wer „nur“ korrektes Englisch spricht, kommt in China nicht weit. Das ist, wie einen Blinden nach dem Weg zu fragen. Noch so ein Sprichwort.

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Erschienen im Magazin "Unterwegs mit Djoser", 11. Ausgabe, Frühling 2008