"Meine Weltreise in Rezepten" - von Sterneköchin Julia Komp
Julia, 2016 wurdest du mit nur 27 Jahren als Deutschlands jüngste Sterneköchin ausgezeichnet. Was hat deine Leidenschaft für das Kochen geweckt, und wer oder was hat dich in deinen Anfängen besonders inspiriert?
Essen hatte bei uns zu Hause immer einen hohen Stellenwert. Meine Oma und meine Mama haben beide sehr gut gekocht. Besonders bei meiner Oma habe ich die Liebe zum Kochen und den Spaß dabei gespürt. Hinzu kam der Hype um die Kochprofis im Fernsehen, wie Tim Mälzer, oder Sendungen wie „Das perfekte Dinner“. Ich war immer pünktlich um 19 Uhr zu Hause, um diese Kochshow zu schauen. Mein Interesse wuchs dann natürlich zusätzlich durch meine Ausbildung zur Köchin und die Praktika in der Sternegastronomie.
2020 wurdest du zur Köchin des Jahres gekürt, Ende 2021 hast du dein eigenes Restaurant „Sahila“ in Köln eröffnet, und bereits ein Jahr später folgte der Michelin-Stern, den du 2024 erfolgreich verteidigt hast. Du hast in kurzer Zeit viel erreicht. Welche Ziele oder Visionen hast du noch für die kommenden Jahre?
Da gibt es noch so einiges! Mir ist es wichtig, meine Komfortzone immer wieder zu verlassen. Einerseits entwickle ich mein eigenes Restaurant mit besonderen Events wie Küchenpartys weiter. Das bietet auch meinen Mitarbeitenden Abwechslung und Inspiration. Andererseits arbeite ich in Projekten für Unternehmen. So habe ich fünf Jahre lang mit der Gategroup Menüs für die Lufthansa entwickelt. Flugzeugmahlzeiten bringen ganz neue, spannende Herausforderungen mit sich, wie perfekte Rezepturen und Grammaturen. Außerdem nehme ich gerne Aufträge als Gastköchin an. Und klar, mein Traum bleibt ein zweiter Michelin-Stern für das „Sahila“.
Du bist eine Weltenbummlerin und warst 2019 auch auf Weltreise. Inwiefern gehören für dich Reisen und Kochen zusammen, und wie beeinflusst das deinen Beruf?
Das Zusammenspiel von Reisen und Kochen ist zu meiner Handschrift geworden. Wer bei uns im Restaurant isst, begibt sich auf eine kulinarische Weltreise. Reisen ist daher ein essenzieller Teil meines Berufs und eine absolute Inspiration für meine Menüs. Schon früher war ich viel unterwegs, deshalb auch die Weltreise 2019, um die Welt kulinarisch zu entdecken. Ich habe in verschiedenen Ländern in Restaurants gearbeitet und dabei viel gelernt – so entstand auch mein eigenes Restaurantkonzept.
Deine Gerichte im „Sahila“, aber auch in der Mezzebar „Yu*lia“ nebenan, sind stark von deinen Reisen inspiriert. Welche Länder oder Kulturen haben einen besonderen Einfluss auf deine Küche, und wie spiegelt sich das in deinen Gerichten wider?
Die Mezzebar spiegelt den orientalischen Einfluss wider, der für mich Nordafrika, Ägypten, die Emirate, Syrien, den Libanon, die Türkei und den Iran umfasst. Diese Kulturen arbeiten mit zahlreichen Gewürzen, die dennoch unterschiedlich eingesetzt werden. Marokko ist ein tolles Beispiel: Dort vereinen sich vier Kulturen in der Küche. Perser brachten Trockenfrüchte, Araber Gewürze, Berber Brot und Mauren Olivenöl – so entstand die frische, vielfältige mediterrane Küche. Die iranische Küche schätze ich sehr, vor allem wegen ihrer Kombination aus Gewürzen, Gemüse und Trockenfrüchten. Spannend finde ich dort auch die Parallelen zu unserer Küche: Auf einen Teller gehören Fleisch oder Fisch, Salat oder Gemüse und eine Sättigungsbeilage. Ganz anders als in Japan, wo der Fokus oft auf Fisch und Reis liegt. Aber auch von diesem und vielen anderen Ländern dieser Welt ist mein Menü im „Sahila“ inspiriert.
Du hast über 30 Länder bereist und deren Kultur und Kulinarik intensiv kennengelernt. Gibt es eine Küche, die dich persönlich besonders geprägt hat – sei es hinsichtlich Aromen, Techniken oder Philosophien?
Eine Erkenntnis ist: Je ärmer die Länder, desto größer die Gastfreundschaft. Es war überwältigend, wie viel aufgetischt wurde. Das gemeinsame, reichliche Essen ist gerade in ärmeren Regionen sehr wichtig, auch wenn die Menschen nicht viel Geld haben. Bali in Indonesien beeindruckte mich wiederum, weil die Insel kulturell so mannigfaltig ist, was sich auch in den Aromen der Küche widerspiegelt. Technisch war Japan besonders faszinierend: Die Präzision beim Schneiden der Zutaten ist beeindruckend und beeinflusst den Geschmack enorm. Mir war schnell klar, warum ein Sushi-Meister eine jahrelange Ausbildung durchläuft, denn auch für mich als Köchin waren die Schneidetechniken eine Herausforderung. Japan steht für mich insgesamt für Perfektion in Optik, Duft und Geschmack.
Gibt es ein Land oder eine Region, in der du die Verbindung von Kultur und Kulinarik besonders intensiv gespürt hast?
Die Verbindung von Kultur und Kulinarik ist sicherlich in vielen Ländern auch heute noch sehr stark. Mir ist das beispielsweise in Indien aufgefallen. Und hierzulande essen Inder weiterhin gerne ihre eigene Küche. Gleichzeitig sind viele auch offen, europäische Gerichte zu probieren. Es kommt dann schon auch mal vor, dass in unserem Restaurant dann ein mediterranes Gericht mit Chilis und roten Zwiebeln ergänzt wird. In Indien und vielen Regionen spielen Reis und seine Zubereitungsart eine wesentliche Rolle. Ich selbst würde auf Kohlenhydrate – wie sie bei uns als Sättigungsbeilage serviert werden – verzichten, um mehr Platz zu schaffen für anderes. Aber Reis ist eben nicht gleich Reis. Ich habe mal koreanischen Reis in einer Schüssel mit einem Meeresfrüchteeintopf gegessen. Dieser Reis war einfach fantastisch zubereitet. Oder auch in Thailand hatte ich in einem Hinterhof auf einem Streetfood-Markt den besten Sticky Rice zu einer traditionellen „Tom Yum“-Suppe.
Du hast während deiner Auslandsaufenthalte an verschiedenen Orten gekocht. Gibt es eine Erfahrung, die dir besonders lebhaft in Erinnerung geblieben ist?
Da gibt es viele, aber besonders ein Restaurant in Malaysia bleibt unvergessen. Das Küchenteam war schlichtweg der Jackpot für mich! Alle waren hochmotiviert, die Gerichte, die dort zubereitet wurden, waren beeindruckend anders. Der Betrieb insgesamt hat mich fasziniert. Inzwischen hat das Restaurant zwei Michelin-Sterne und einen grünen Stern für sein Engagement für nachhaltiges Arbeiten. Auch das Kochen in Hiroshima war besonders: Trotz strenger Hierarchien waren drei ältere Köche unglaublich hilfsbereit und haben mir viel beigebracht, obwohl wir uns mit Händen und Füßen verständigen mussten. Sie haben mich sogar in ihrer Freizeit auf Großmärkte begleitet, um mir möglichst viele ihrer kulinarischen Besonderheiten zu zeigen.
Wie schaffst du es, die Authentizität fremder Küchen zu bewahren, wenn lokale Zutaten möglicherweise nicht immer verfügbar sind?
Mir ist es wichtig, dass unsere Zutaten aus der Region kommen. Dazu ersetzen wir auch Produkte, falls nötig. Ein Beispiel ist der inzwischen auch in Deutschland beliebte “Som Tam”-Salat mit Papaya. Nur ist die geschmacksintensive grüne Papaya oft nicht verfügbar, verursacht gleichzeitig hohe CO2-Emissionen und ist dazu noch teuer. Wir ersetzen Papaya dann beispielsweise durch Muskatkürbis oder auch Kohlrabi aus der Region. Das schmeckt ebenfalls wunderbar. Und dann gibt es Produkte, die einfach zu einem Gericht gehören. Beispielsweise gehört die “Stinky Bean" in ein indonesisches Gericht. Solche Produkte besorge ich dann bei einem asiatischen Supermarkt.
Als erfahrene Weltenbummlerin: Was bedeutet für dich das Reisen jenseits der Kulinarik – vielleicht in Bezug auf persönliche Entwicklung oder Begegnungen?
Ich habe viele verschiedene Menschen und Lebensrealitäten kennengelernt. Besonders prägend war für mich die Zeit in Indien, wo ich in einem Hotel gekocht habe. Dort sind mir die Gegensätze bewusst geworden. Das Hotel hatte Siedlungen mit ausreichendem Zugang zu Frischwasser für seine Mitarbeitenden errichtet, was mir zunächst positiv aufgefallen ist. Gleichzeitig erfuhr ich, dass viele dieser Mitarbeitenden den Großteil ihres Einkommens an ihre Familien schickten, die in der Heimat in Armut lebten. In Indonesien wiederum habe ich Ruhe und Gelassenheit schätzen gelernt – eine Haltung, die ich heute in stressigen Momenten im Alltag abrufe. Durch all die Begegnungen und Erfahrungen auf meinen Reisen ist mir bewusst geworden, wie privilegiert wir hier sind. Ich schätze heute viel mehr, was ich habe.
Gibt es einen Ort, an den du immer wieder zurückkehren würdest?
Bis letztes Jahr habe ich ganz klar „Oman“ gesagt. Die Oasen mit ihren Orchideen, dem frischen, klaren Wasser und den kleinen Bächen fand ich wahnsinnig schön. Anders als man es sonst aus der Region kennt, gibt es im Oman keine Hochhäuser. Und trotzdem wirken die überaus sauberen Städte modern, ganz ohne die hohen gläsernen Wolkenkratzer. Positiv bleiben mir auch die Begegnungen mit den auffallend gut gebildeten Menschen in Erinnerung. Ich konnte mich mit allen problemlos auf Englisch unterhalten. Trotzdem sage ich heute “Jordanien”. Die Felsenstadt Petra, mit ihrer Geschichte und ihren wunderschönen Farben, war überwältigend. Überhaupt ist Jordanien ein vielseitiges Land mit einer unglaublich spannenden Kultur. Und mir schmeckt natürlich das orientalische Essen sehr gut.
Gibt es ein Land oder eine Region, die du noch unbedingt entdecken möchtest?
Kolumbien, Peru und Mexiko stehen ganz oben auf meiner kulinarischen „Bucket List“. Gleichwohl möchte ich auch noch ein paar Länder besuchen, die weniger weit weg liegen – beispielsweise Georgien oder auch den Libanon mit seinen großartigen Weinen. Insgesamt bin ich sehr dankbar, dass ich schon so viele Länder besuchen durfte.
Djoser bietet geführte Rundreisen in kleinen Gruppen an. Würdest du sagen, dass Reisen in einer Gemeinschaft kulinarische Erfahrungen bereichern kann?
Absolut! Gemeinsam kann man viel mehr ausprobieren. In Vietnam wollte ich einmal einen „Hot Pot“ bestellen. Das Restaurant bot das Gericht aber nur für mehrere Personen an, obwohl ich auch den Preis für mehrere Personen bezahlt hätte. Alleinreisende können oft nur einen kleinen Teil der Kulinarik entdecken. In einer Gruppe wiederum kann man verschiedene Gerichte teilen und so die Kulinarik eines Landes noch intensiver erleben.
Was würdest du Hobbyköch:innen empfehlen, die auf ihren Reisen kulinarische Inspiration suchen?
Ein Marktbesuch ist ein Muss! Ich selbst war in jedem Land auf dem Markt. Das lernt man unglaublich viel über Kulinarik und Kultur einer Region. Auch Haushaltswarengeschäfte bieten spannende Entdeckungen, und vielleicht auch das eine oder andere Schnäppchen. Beim Restaurantbesuch empfehle ich, Orte abseits der Touristenpfade zu wählen. Dort isst man üblicherweise authentisch, lecker und zu fairen Preisen. Die Michelin-App kann ich Reisenden empfehlen, die hochwertige und authentische Restaurants suchen – und das bei einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis.
Wir sagen HERZLICHEN DANK für deine Zeit und den Einblick in deine kulinarische Weltreise, liebe Julia!
Für alle Feinschmecker aus Köln und Umgebung: Wenn ihr Gerichte der Spitzenklasse mit Einflüssen der europäischen, asiatischen und orientalischen Küche genießen möchtet, schaut doch mal bei Julia im Sahila The Restaurant oder in der Mezze Bar Yu*lia vorbei!
Alle Infos zu Julias Weltreise und Sterneküche findet ihr auf ihrer Website: www.juliakomp.de